Wer Authentizität im Branding als Wert sah, könnte nun enttäuscht werden. Stattdessen geht es eher darum, mit der Marke die richtige Rolle zu spielen.
Gerade kürzlich hörte ich die Psychologin Monika Matschnig in einem Seminar zum Thema «Körpersprache» sagen, Authentizität, beziehungsweise das Echt-sein-Wollen sei Bullshit. Ich horchte auf. Seit 20 Jahren predige ich, beim Branding ginge es darum, Marken authentisch, also selbstähnlich zum Unternehmen zu bilden. Authentizität sei nun aber Bullshit, also absoluter Schwachsinn – jedenfalls bei der Körpersprache. Doch was unterscheidet schon die Körpersprache eines Menschen vom Corporate Design eines Unternehmens?
Wer authentisch sein wolle, sagte Matschnig, habe verloren. Wären wir nämlich so etwas wie authentisch, wären wir «die Rotznasen von früher geblieben». Ich war beeindruckt und ich verstand. Wir sind allein die Summe unserer Rollen und wir lernen und verbessern jede einzelne – Tag für Tag.
Als Menschen hegen und pflegen wir unsere ganz eigenen Rollen für Zorn, Fürsorge, Romantik, Erziehung, das Anstehen an der Supermarktkasse, unser Verhalten im Auto hinter dem Lenkrad – wir pflegen auch Rollen, um unschlagbar oder mutig zu erscheinen und zu sein. Tatsächlich erkannte ich aufs Mal, dass es natürlich auch in der Semiotik den reinen Objektbezug nicht geben kann. Es verbleibt bei aller Selbstähnlichkeit immer ein Unterschied zwischen dem Objekt und dem Medium, also zwischen dem Gemeinten und dem Wahrnehmbaren.
Ich habe mir vorgenommen, fortan nicht mehr vom Authentizitätsbezug beim Branding sprechen, auch wenn es mir komisch vorkommen wird. Vielmehr wird es mir darum gehen, mit der Marke exakt die Rolle des Unternehmens anzusprechen, die sie lebt, wenn es in seinem Markt erfolgreich sein will. Auch – oder gerade dann! – wenn das Unternehmen diese Rolle erst noch perfektionieren muss. Die Marke ist nun mal kein Kuschelpullover für kühle Tage.