Unternehmen unterschätzen die Bedeutung des Textes ansich
Kommunikation ist der Austausch von Information beziehungsweise von Botschaften – und mit der Entwicklung ebendieser tun sich kleinere und mittelgrosse Unternehmen meiner Erfahrung nach sehr schwer. Warum?
Ob Facebook-Anzeige, Tweet, Blog, Radiospot, Podcast, Video: Alles medial angereicherte Texte. Angereichert heisst, alles ist mehr als Text und mehr heisst fast immer auch schwieriger und aufwändiger. Salopp kann man sagen, alle neuen und innovativen Kommunikationsformate sind «Text plus»-Formate. Mal ist er länger, mal kürzer, mal eher im Hintergrund, mal total dominant – aber das Fundament der Botschaft bilden immer die Buchstaben – notabene gerade auch für Google. Google wird dank KI eher früher als später nicht nur den Inhalt, sondern eben auch die Qualität eines Textes bewerten können. Tools wie das Blablameter können das heute schon sehr gut. Die Bedeutung der Buchstaben in der Kommunikation dürfte sich auch bei der nächsten grossen kommunikativen Entwicklungsstufe Augmented Reality kaum substanziell ändern.
Besonders grauenhafte Exponate textlicher Inkompetenz sind in Videos anzutreffen. Nicht selten sind dort Mitarbeiter eines Unternehmens Konzepter, Darsteller, Sprecher und Texter in Personalunion – mit aus kommunikativer Sicht katastrophalen Folgen: Schlechtes Drehbuch, hölzerne Präsentation, gestellte Sprache und ein Text, der entweder schlecht oder gar nicht fürs Sprechen getextet wurde. Das Ergebnis ist eine Lachnummer, doch niemand traut es sich zu sagen, weil der Urheber selbst es für gelungen hält. Der Schaden? Xfach angeklickter Imageverlust, das Fundament: Ein schlechter Text ob dem alles zusammenstürzt.
Wer schreibt, denkt – irgendwie
Ich erlebe im Kommunikationsalltag drei Personengruppen, die Corporate-Texte verfassen. Da ist erstens der Produktverantwortliche, der zwar über beeindruckendes Fachwissen verfügt, aber kaum über prosaische Kompetenz – seine Texte lesen sich wie ein ausgefülltes Kreuzworträtsel. Zweitens schreibt das Marketing gerne Texte. Texte, die zwar den Markt fokussieren, aber aus der Sicht des Produktverantwortlichen entweder zu viel auslassen oder zu viel versprechen. Die Texte des Marketings lesen sich deshalb gern wie Factsheets auf Drogen. Drittens schreiben die (meist extern engagierten) Texter. Sie finden die Texte des Marketings immer noch zu betriebsblind und zu wenig auf die Audience ausgerichtet und vor allem stilistisch unbrauchbar – deshalb sind die Textertexte zwar literarisch angemessen, aber der Leser bekommt keine Ahnung davon, was das Produkt nun wirklich leistet – weil sie viel zu isoliert entstehen. Marketing und Produktverantwortliche finden den Texter ohnehin zu teuer und halt ohne Verständnis für das Wesentliche. Patt mit Verlierer: Der potentielle Kunde.
Ja, das ist alles überzeichnet. Natürlich. Aber eben nicht ohne Wahrheit.
Texte sind die Basis für alle Kommunikation
Geht man nun davon aus, dass Texte das Fundament aller Kommunikation sind, lohnt es sich, die Prozesse und Zuständigkeiten zu klären und anzuerkennen, dass ein guter Text auf Abruf nun mal nicht von jedem kommen kann, denn Talent und Kompetenz sind auf der Welt unterschiedlich verteilt.
Ich plädiere für möglichst strikte Trennung der Kompetenzen und Weisungsbefugnisse. Das Marketing definiert, warum und für wen es einen Text braucht und wo er erscheinen wird. Es stellt damit sicher, dass überhaupt ein Briefing erfolgen kann. Das Produktmanagement liefert konsequent alle Informationen, was das Produkt auszeichnet – geht es um reinen Corporate-Content, liefert natürlich das Marketing die Informationen darüber, was das Unternehmen herausragend macht. Das Schreiben der Texte sollte nun keiner der beiden zuvor erwähnten übernehmen, sondern ein Texter. Nur er bestimmt wie der Text klingen soll. Ein gemeinsamer Review, in dem jeder vor allem seinen Zuständigkeitsbereich kritisch würdigt, zeigt, ob alle ihren Teil zum bestmöglichen Gelingen des Textes beigetragen haben.
Interdisziplinarität kombiniert mit eingespielten Prozessen spart bei der Texterstellung in kommunikationsintensiven Unternehmen viel Geld. Vor allem hilft das aber, kein Geld durch eine schlechte Conversion zu verlieren. Wegen Lesern, bei denen Texte ein facepalm auslösen.